Von beatrice


Wie ein Eichkätzchen das Weihnachtsfest rettete

Und Kreuzweh obendrauf. Kein Wunder, schon mehr als zwei Stunden kniete sie im Gemüsebeet und rupfte und zupfte und riss das Unkraut aus der sommerwarmen Erde. Die kleinen Walnussbäumchen mit ihren ellenlangen Wurzeln machten es ihr besonders schwer. Schon ein Dutzend hatte sie ausgegraben. Mindestens! Der Gemüsegarten der Alten Mühle lag genau zwischen Wald und Bach und die Ahrntaler Eichkätzchen hatten beschlossen, dass hier wohl ein besonders geeigneter Platz wäre, Nüsse zu verstecken. Sie vergruben allerdings so viele, dass sie die halben gar nicht auffressen konnten und aus dem Eichhörnchenfutter binnen kurzer Zeit stattliche kleine Bäumchen wurden, die der Köchin so dermaßen zusetzten, dass diese die „Oachkatzlan“, wie sie hier genannt werden, kreuzweise verfluchte. Aber nur in Gedanken! Denn Flüche waren zu dieser Zeit eine ernsthafte Angelegenheit und nichts, was einem leichtfertig über die Lippen kam.

Just in dem Moment, als unsere Köchin den dreizehnten kleinen Walnussbaumschössling aus der Erde zog, huschte etwas an ihr vorbei. Sie blinzelte. Tatsächlich! Ein kastanienbraunes Eichkätzchen saß keinen Meter weit weg am Gartenzaun und schaut sie aus großen Knopfaugen an. Ganz so, als wollte es sagen: Sei mir nicht böse, ich habe auch Kinderlein, die ich füttern muss. Die Köchin wischte sich die Schweißperlen von der Stirn. Die Augustsonne musste ihr wohl arg zugesetzt haben. Wer in Gedanken mit einem „Oachkatzl“ sprach, dem war nicht mehr zu helfen.

Die Tage und Wochen zogen ins Land und es war Winter geworden in der Alten Mühle. Die Kopfschmerzen und das Kreuzweh der Köchin waren nur noch eine blasse Erinnerung. Aber das Eichkätzchen, das ging ihr einfach nicht mehr aus dem Sinn. Ein schlechtes Gewissen plagte sie. Denn die Eichkätzchen vergruben die Walnüsse ja nicht umsonst. Hatte sie etwa in den Kreislauf der Natur eingegriffen und die Pläne des Herrgotts durchkreuzt? Der Pfarrer Jungmann wusste Rat: Ein kleines „Vaterunser“ und eine milde Gabe an die Eichkätzchen würden es wohl wieder richten. Und so legte die Köchin jede Woche eine Walnuss auf das Fenstersims und sie hatte ihre helle Freude daran, wenn sie das kastanienbraune Eichkätzchen sah, wenn es sich die Nuss dort abholte.

Bis zum großen Weihnachtsfest waren es nur noch wenige Tage. Die Alte Mühle versank beinahe im Schnee und unsere Köchin konnte sich vor Arbeit kaum noch retten. Das „Kletzenbrot“, eine Art Christstollen mit allerlei Trockenfrüchten und Nüssen, musste noch gebacken werden. Was für ein Unglück! An alles hatte sie gedacht und die Vorratskammer gut gefüllt. Nur eine Zutat fehlte der Köchin. Erratet ihr, welche? Richtig: Sie hatte ganz die Walnüsse vergessen. Und im ganzen Dorf waren keine mehr zu kriegen. Unserer Köchin stiegen Zornestränen in die Augen. Was für ein vergessliches Schaf sie doch war! Was sollte sie jetzt bloß tun? Ein Weihnachtsfest ohne Kletzenbrot war unvorstellbar. Als sich ihre Wut über sich selbst etwas gelegt hatte, schaute sie aus dem kleinen Küchenfenster, um ihre Gedanken zu sortieren. Was war denn das? Dort, am Fensterbrett? Wo eben noch eine Handbreit Schnee lag, türmte sich ein stattlicher Haufen Walnüsse auf. Mindestens drei Handvoll. Allemal genug für das Kletzenbrot. Daneben, unsere Köchin musste zweimal hinschauen, erblickte sie kleine Spuren im Schnee. Winzig kleine Pfotenabdrücke waren zu sehen. Und da wusste sie: Das Eichkätzchen hatte ihr gerade das Weihnachtsfest gerettet.